Mittwoch, 28. Januar 2015

Glückliche Familie Nr. 265: Lernen im Ausland


Wir waren mit Prinzessin (14) auf einem Info-Abend über Auslandsaufenthalte für Schüler. Auf der Heimfahrt im Auto habe ich sie noch einmal gefragt, warum sie ins Ausland gehen möchte.

"Ich finde das gut mit so einer festen Struktur im Internat, mit diesen gemeinsamen Zeiten zum Lernen. Meinetwegen darf man mir auch mit einem Löffel auf den Kopf hauen, wenn ich mich wieder ablenken lasse." -

"Hallo?"-

"Ja, zu Hause ist immer so viel Ablenkung." -

"Aber ich könnte dir auch eine feste Struktur bieten und ganz streng werden. Und Löffel haben wir auch." -

"Du? Tut mir leid, Mama, aber dich kann ich einfach nicht ernst nehmen." -

"Was?????"

 Fast verlor ich die Kontrolle über das Auto.

"Ich meine das nicht böse. Wir sind eine lustige Familie und das ist auch gut so. Aber vielleicht brauche ich mal was anderes."

Sehnsucht nach Struktur.





Michaela Schonhöft schreibt in ihrem Buch "Kindheiten. Wie kleine Menschen in anderen Ländern groß werden", dass Jugendliche in Japan einen durchgeplanten Tagesablauf haben:
"Japaner setzen neben der frühen Deeskalations-Erziehung auch auf Beschäftigungs-Therapie. ... Die Schulen bieten ein umfangreiches AG- und Clubprogramm und sorgen auch in den Ferien für Entertainment. Die Jugendlichen bewegen sich also in einem engen Rahmen, ohne dass die Eltern sich groß um Kontrolle kümmern müssen. Ganztagsschulen, Nachhilfe am Wochenende und Ferienkurse sind also vielleicht gar keine so schlechte Idee, um Teenager nicht zu sehr in Versuchung zu bringen, über die Stränge zu schlagen." (Schonhöft, Seite 323)

Ich bin dagegen, Kinder (besonders kleine Kinder) zu verplanen und ihre Nachmittage mit Kursen voll zu stopfen. Aber dass es manchen Jugendlichen Halt gibt, zusammen mit Gleichaltrigen eine klare Tagesstruktur mit einem Wechsel aus Pflichten und Freizeit zu erleben, kann ich mir gut vorstellen.

Wer mit Jugendlichen zu tun hat, jongliert mit diesen drei "Bällen".


Nähe - Freiheit - Struktur


Wir brauchen also ein Internat, das nicht nur Struktur bietet (gemeinsame Phasen des Lernens, klare Regeln, kein WLAN), sondern auch eins, das Nähe zu festen Bezugspersonen bietet. Man hört immer wieder, dass Lehrer in angelsächsischen Ländern einen persönlicheren Kontakt zu ihren Schülern pflegen. Das bestätigten auch Paulina und Johannes, zwei Schüler, die an dem Info-Abend über ihre Erfahrungen in Neuseeland und USA berichteten. "Mein Lehrer dort", erzählte Johannes von seiner Zeit in Idaho, "hat sich eher verhalten wie ein Freund als wie ein Lehrer."

"Sie haben immer wieder gefragt", so Paulina, "ob ich im Unterricht auch mitkomme oder ob ich noch Material oder Hilfe brauche."

Noten für mündliche Beteiligung gab es dort nicht. Johannes: "Im Zeugnis stand bei jedem  eine 1 für Anwesenheit."

Eine 1, einfach weil du da bist. Was ist das denn für eine schöne Idee?!

Johannes erzählte auch, dass jeder Lehrer an seiner Schule in Idaho ein eigenes Büro hat. Welch eine Wohltat für alle Beteiligten! So haben Schüler eine Anlaufstelle für ein persönliches Gespräch und ein Lehrer kann sich im Schultrubel mal zurückziehen, kann sein Material und seine Bücher sicher deponieren und die Freistunden zum Arbeiten nutzen. Wäre das nicht wunderbar, wenn es das auch in Deutschland gäbe?
(Ihr merkt schon, dass ich auf meinem Blog die wesentlichen Schulreformen anstoße: Yoga im Stundenplan und Rückzugsräume für Lehrer.)

Aber zurück zu den Plänen von Prinzessin.

Wenn wir im englisch-sprachigen Raum eine Schule finden mit einer klaren Struktur, einem starken Gemeinschaftsgefühl und Lehrern mit persönlichem Engagement für ihre Schüler, wären wir im nächsten Jahr bereit, Prinzessin ein paar Monate zu entbehren.

Immer fröhlich jonglieren mit Freiheit und Struktur und vor allem (das passiert leicht in der Pubertät) die Nähe* nicht vergessen.

Eure Uta


*zusammen essen, kochen, Film gucken, joggen, mit dem Hund gehen, backen, lange Auto fahren, ....