Sonntag, 7. Dezember 2014

Glückliche Familie Nr. 256: Und - plob - ist alles anders


Ich bin ja wieder zu spät mit allem. Wie eigentlich seit 30 Jahren.

Gut, ich hatte drei Löcher kurz vor dem Weisheitszahn und habe Stunden beim Zahnarzt zugebracht, mit dem Ergebnis, dass sich die Reihe oben rechts mit der Zunge anfühlt wie die Torbögen vom Prinzipalmarkt, nur rauer und ohne Beleuchtung.

Und unser Kater hat eine entzündete Pfote, weshalb ich sehen konnte, dass bei der Tierärztin an ihrem Privateingang auch noch ein Bund Tannengrün liegt, an das sie eines Tages Ostereier hängen kann, wenn immer diese ganzen Notfälle kommen in großen und kleinen Boxen und humpelnd an der Leine.

Aber die Tierärztin ist sowieso ein Engel, die braucht gar keine hinzustellen.

Es gibt also noch mehr Leute, die auf ihrem Weihnachtserledigungszettel im ersten Fünftel feststecken.

Dabei wollte ich doch dieses Mal so früh ...

Als Kind habe ich am Heiligen Abend Gebasteltes verschenkt, bei dem der Kleber noch nicht trocken war.

Egal, ob ich gerade in einer stressigen Phase steckte oder nicht - ich kann mich an keine wirklich entspannte Vorweihnachtszeit in meinem Leben erinnern.

Vielleicht sollte ich wie Pettersson aus dem Bilderbuch einen Baum schlagen gehen, hier in unserem Vorortwäldchen. Ich könnte im nassen Laub ausrutschen, mich im Schlittenseil verfangen (an den Schlitten denken!) und mir das Bein verstauchen. Dann lege ich mich bis Weihnachten auf die Couch und alle Nachbarn und Verwandten kommen und bringen Schnitzbrot und feine Pasteten. Und der Kater schmückt den Baum mit Korkenziehern, Löffeln, Kugelschreibern.

Aber nun ist mir der zuvorgekommen und hat eine schlimme Pfote.

Der Advent verträgt sich nicht mit meiner Lebensphilosophie. Leben im Hier und Jetzt, jeden Tag so gestalten, als wäre es der Letzte, nicht auf ferne Ziele hinleben, sondern den Augenblick genießen.

Advent ist der Gegenentwurf: Zeit der Erwartungen, hinarbeiten auf die ferne Erlösung, permanente Hektik gesteigert durch eingeschobene Besinnlichkeit.

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Bis hier hin war ich gestern gekommen und habe gemerkt, dass mein Advent so ist, weil ich ihn genau so haben will.

Ich könnte es ja ändern, mache ich aber nicht.

Das einzige, was ich ändere, ist, mich nicht mehr dafür runter zu ziehen. Und - plob - ist alles anders:

  • Ich genieße es, diesmal nur einen Teil der Deko aus dem Keller zu holen.
  • Wir freuen uns, dass der Kater wieder zaghaft die Pfote auf den Boden setzen kann und sich dankbar an uns schmiegt.
  • Ich weiß, dass - wenn ich den Fotokalender nicht mehr schaffe sollte - ich eine bessere Idee haben werde. 
  • Ich setze mich im Einkaufszentrum auf die Bank und beobachte die Leute. Ich sehe plötzlich keine grauen Gesichter mehr, sondern Menschen, die sich beeilen, weil sie anderen eine Freude machen möchten.
  • In den Supermärkten in meinem Umkreis sind die Domino-Steine ausverkauft. Ich liebe Domino-Steine, aber ich bin froh, dass ich mal einen klitzekleinen Mangel erleben kann, wo wir doch sonst immer alles im Überfluss haben.
  • Ich bin dankbar, dass das Kissen platzte, das ich Prinzessin (13) für die Schulski-Reise nähen wollte. Das Wohnzimmer sah aus, als hätte ich ein Huhn gerupft. Prinzessin kam und sagte: "Komm, wir packen uns vor den Fernseher." Später hatte ich wieder Energie, saugte alles auf und nähte das schönste Kissen, das mir je gelungen ist.
  • Ich bin dankbar, dass der Kronprinz (17) kurz Bauchschmerzen hatte. Denn deshalb konnte er nicht zum Karate, dafür aber ein wenig später mit zum Reisebus, um Prinzessin (13) zu drücken, bevor sie nach Österreich aufbrach. 
  • Ich habe ein Stück Marzipan-Stollen genossen, Krümel für Krümel. Denn er kam per Post von meinen Eltern. Sie sind beide über 80. Meine Mutter hat ihn gebacken mit Frischhefe und ohne Zitronat, mein Vater hat ihn sorgfältig in eine große Schachtel gebettet, das Paket beschriftet und zur Post gebracht. Besser kann Leben Stollen nicht schmecken. 

Wenn es "plob" macht und ich wieder das Vertrauen spüre, dass das Universum für mich ist, dann schaffe ich genau das, was zu schaffen ist. Dann genieße ich das Kerze-Gucken genauso wie die Anstrengung, die Hektik und alles, was nicht funktioniert. 

Advent ist toll. Mit all den Erwartungen, Enttäuschungen und plötzlichen Freuden ist er so eine Art verdichtetes Leben.

Immer fröhlich auf das "plob" achten.

Eure Uta 


PS: In der Bank bekam ich ein Werbegeschenk, eine kleine Schachtel mit zwei ... ja was? ... Domino-Steinen.