Mittwoch, 23. April 2014

Glückliche Familie Nr. 215: Die Zwangs-Beglückung


Am Ostermontag wollten wir den Film "Gandhi" gucken. Wir haben eine Reihe von DVD-Abenden gestartet, an denen wir den Kindern einen Film zeigen, der uns persönlich viel bedeutet. Angefangen haben wir mit "Das Leben der anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck, an Ostern war "Gandhi" von Richard Attenborough dran.

Wegen der Überlänge wollten wir zeitig anfangen, aber dann hatte der eine noch dies im Zimmer zu erledigen und die andere noch jenes am Computer zu recherchieren. Bei uns Eltern machte sich eine leichte Missstimmung breit. Und zwar die Sorte Missstimmung, die bei Eltern epidemisch ist. Es handelt sich um folgendes Gefühl:

Da-tun-wir-so-viel-für-euch-und-wer-dankt-es-uns?-Niemand!!! 

Wir haben den Film schließlich gesehen. Alles war gut. Und Kronprinz (16) und Prinzessin (13) zeigten sich so beeindruckt, dass der Eltern-Segen nicht mehr schief hing. Aber als im Vorfeld dieses Gefühl in mir aufkam, dachte ich, ich muss es schreiberisch umzingeln, weil es von allen Eltern-Gefühlen die Pest ist.

Denn eines muss man sagen: Nie haben weder Kronprinz noch Prinzessin uns mit einem Wort darum gebeten, eine "Pädagogisch-wertvoll-DVD-Reihe" zu starten. Es war unsere Idee. Eine schöne Idee, keine Frage. Aber trotzdem eine Idee der Kategorie "Zwangs-Beglückung". Und wenn wir dann eingeschnappt sind, wenn die Kinder nicht sofort "juhu" schreien, ist das unfair.




Wir wohnen in einem Umfeld mit viel Zwangs-Beglückung. Schon die Kleinsten erhalten hier schulische, motorische, sportliche, musische, berufliche und finanzielle Förderung in einem hohen Maße. Da werden zusammen Referate geschrieben, Taxi-Dienste geleistet, Geigen angeschafft, Auslandsaufenthalte ermöglicht, Praktika besorgt und Nachhilfe finanziert.

Einige Punkte davon tun auch der Soßenkönig und ich für unsere Kinder.

Seine Kinder zu unterstützen und ihnen vieles ermöglichen zu können, ist schön. Mir ist nur aufgefallen, dass wir und manche Eltern im Freundeskreis manchmal zu viel und vor allem auch ungefragt tun und wir uns damit selbst in eine große Enttäuschung, fast Verbitterung hinein manövrieren. Und natürlich geben wir dem Jugendlichen, diesem Taugenichts, die Schuld daran.

"Da habe ich ihr die Einleitung vom Referat geschrieben und sie meckert, dass da Fehler drin waren."

"Da besorgen wir ihm so ein tolles Praktikum und er kommt nicht in die Gänge, die Unterlagen dafür abzuschicken."

"Da fahre ich ihn zum Tischtennis und er meckert, dass ich zu langsam fahre."

Damit das nicht aufkommt, habe ich folgende Prinzipien für mich selber aufgestellt:
  • Ich tue für meine Kinder nur, was ich von Herzen gerne tue. Und das genießen wir dann in vollen Zügen. Da ich kein Opfer erbracht habe, erwarte ich keine Gegenleistungen.
  • Alles, was ich nicht tue, macht sie nur selbstständiger und schadet ihnen nicht (gerade die Kleinen brauchen natürlich eine Grundfürsorge, aber davon ist hier auch nicht die Rede). Also brauche ich kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich mal nicht "Gewehr bei Fuß stehe". 
  • Kann sein, dass ich Kronprinz (16) bei schönstem Sonnenschein zum Saxophonunterricht chauffiere, weil ich ihn den ganzen Tag nicht gesehen habe und ein paar Minuten im Auto mit ihm genießen möchte ...
  • kann aber auch sein, dass es regnet und er radeln muss, weil ich gerade dringend etwas anderes tun möchte. Hier gibt es kein "richtig" oder "falsch".
  • Wer meckert oder alles für allzu selbstverständlich nimmt, kriegt eins auf die Mütze. 
  • Wer sich nicht bedankt, dem brülle ich hinterher: "Danke, Mama!" Und das gewünschte Echo kommt direkt. "Danke, Mama." (Ich muss aber zugeben, dass sich beide - vielleicht dank der Echo-Methode - inzwischen für Sachen bedanken, bei denen ich gar nicht damit gerechnet habe.)
  • Ich gebe mir Mühe zuzuhören, damit ich verstehe, ob die "Beglückung" überhaupt erwünscht ist.
  • Ich mache mir klar, dass meine Kinder immer passiver werden, wenn ich zu aktiv bin. 
  • Ich lerne es auszuhalten, wenn sie rumgammeln. Die Initiative, die aus ihnen selbst kommt, ist viel wertvoller als alles, was ich ihnen einpflanzen kann.

Immer fröhlich einander helfen, aber auf der Hut sein, dass es die Eigeninitiative nicht erstickt.

Eure Uta

Ps.: Mich würde ja mal interessieren, welche Filme ihr mit euren halbwüchsigen Kindern gucken würdet ... nachdem ihr sie gefragt habt, ob sie eine solche Aktion wirklich wollen.