Dienstag, 18. Februar 2014

Glückliche Familie Nr. 200: Raum lassen


In dem Post "Der Elternautomat" habe ich einmal dieses Zitat gebracht:


"Es gibt einen Raum zwischen Reiz und Reaktion."

Diesen Satz entdeckte Stephen R. Covey, als er als Student in der Bibliothek in einem Buch blätterte, und der ihn wie ein Blitz traf. In seinem Hörbuch "Der Weg zum Wesentlichen" beschreibt Covey, wie bedeutsam der Satz in seinem Leben geworden ist.

Im Umgang mit den Kindern ist mir der Raum zwischen Reiz und Reaktion auch sehr wichtig.

Als meine Eltern im vergangenen Sommer zu Besuch waren, saßen wir auf der Terrasse bei Kaffee und Kuchen. Ich brachte noch Zucker und Milch hinaus und fand an der Tafel nur noch einen Platz in der prallen Sonne, während seine Durchlaucht, der Kronprinz (da noch 15), unter dem großen Schirm im Schatten trohnte. 

Unmut regte sich über den Kuchenstreuseln. 

Meinen Eltern war anzusehen, dass sie vom Prinzen einen Platztausch erwarteten. Und meine Schwester fing an, ihren Sohn zu bearbeiten, damit er seinen Schattenplatz für die Tante räume. 

Meine erste Reaktion war Unwohlsein. 

Wenn der eigene Sohn paschamäßig im Schattenwurf des Schirmes sitzt und keine Anzeichen macht, auf den sozialen Druck von allen Seiten der Kaffeetafel zu reagieren, fällt zwar weiterhin viel Sonne auf Mutter, aber kein gutes Licht auf mich als Elterntrainerin. 

Zum Glück hielt ich dieses kleine Unwohlsein aus (= Raum).

Der Wunsch, mein Sohn möge sich als höflich erweisen und ich würde als Tochter und Schwester dafür Anerkennung bekommen (=Reiz), wurde von mir ausgesessen (= Raum).

So hatte ich Zeit zu spüren, dass die Sonne mir tatsächlich wohl tat und ich gar nicht mit den halbwüchsigen Schattenmännern tauschen wollte, und bestand schließlich darauf, dass Sohn und Neffe  sitzen blieben (= Reaktion).


Mit Prinzessin und Kronprinz auf dem Dach des Gasometer in Oberhausen.


Berufs- und persönlichkeitsbedingt habe ich noch weiter drüber nachgedacht. 

War ich wieder zu nachgiebig?

Hat Kronprinz vielleicht zu wenig Empathie?

Die Fragen beantworteten sich wenig später von selbst.

Als Kronprinz und ich am Abend über seine Pläne für das Wochenende sprachen, meinte er plötzlich: 

"Ach, da hast du doch den Termin, auf den du dich so freust."

Tage war es her, dass ich den Termin erwähnt hatte, deshalb war ich so beglückt, dass er sich daran erinnerte, meine Gefühle wahr genommen hatte und auf meine Pläne Rücksicht nahm. 

Und mir wurde wieder klar,

  • dass entscheidend ist, wie wir mit einander sind (Jesper Juul), diese Stimmung erzieht, nicht die Einzelmaßnahme. 
  • dass wir mit unseren Kindern manchmal Dressurnummern vorführen, um als Eltern besser da zu stehen
  • dass es immer wieder hilft, inne zu halten und einen Raum zu lassen, zwischen dem ersten Reiz und der Reaktion


Immer fröhlich den Schattenmännern vertrauen. In ihnen ist so viel Licht!

Eure Uta