Mittwoch, 10. April 2013

Glückliche Familie Nr.137: Von der Leichtigkeit des Eltern-Seins


Prinzessin (12) lag gestern morgen in ihrem Zimmer auf dem Boden und versuchte, Hotpants anzuziehen, die sie zuletzt getragen hat, als sie noch Zahnlücken hatte.

Sie nimmt in Mathe gerade Wahrscheinlichkeitsrechnung durch. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Knopf, der sich auch bei allem Ziehen und Zerren eine Handbreit entfernt vom Knopfloch befand, sein Ziel erreichen könnte, lag bei Null. Der Reißverschluss stand in einem Winkel von 90 Grad offen.

"Warte mal, daraus lässt sich eine lebensnahe Textaufgabe formulieren."

"Mama", ächzte Prinzessin, "hilf mir lieber."

Wir schnitten bei einer aktuellen Jeans die Beine ab. Ich ging Brötchen aufbacken.

Wenig später auf der Treppe die Fohlenbeine.
Mehrere Stufen lang nur Beine, schwarz, lang, seidenmatt, ... endlich fing die Hose an, war aber schnell zu Ende.

Ich schluckte.

Sieht es billig aus? Ist es zu sexy?

Was machen diese Beine mit der Konzentration des Referendars?

Der Backofen piepste.

"Hast du meinen Mathe-Zettel gesehen?" Prinzessin hatte ihr schimmerndes Untergestell eingeklappt und wühlte in einem Stapel mit Schulsachen.

Ich? Was? Mathezettel?

Vor meinem geistigen Auge sah ich keine Zettel, ich sah andere Mütter tuscheln, sah die Schulleiterin mit der "Sitte" telefonieren, den Hausmeister eine Plane vor das Kind halten.

Prinzessin hielt das warme Brötchen wie ein Vögelchen in beiden Händen und lächelte sonnig.

Ich lächelte zurück, sagte nichts.

War das Feigheit oder Mut? Verantwortungslosigkeit oder Vertrauen?

Sollte ich meine Tochter in Stil und Moral strenger unterweisen?

Als Prinzessin mittags zurück kehrte, trug sie eine petrolfarbene, lange Jeans.
"Ich habe mich in der ersten Pause umgezogen. Lina hatte noch eine Sporthose dabei und hat mir ihre Jeans gegeben."-
"Hat denn jemand über dein Outfit gemeckert?" -
"Nein, aber ich habe mich damit irgendwie nuttig gefühlt. Das ging gar nicht."

*

Immer wieder erlebe ich es, dass ich gar nichts sagen muss, dass die Kinder ihre eigenen Erfahrungen machen und häufig daraus die Schlüsse ziehen, die ich mir innerlich wünsche. (Dabei könnte ich mit den Hotpants sogar gut leben. Solche Beine müssen gefeiert werden!)

Ich habe schon einmal geschrieben, dass das Buch "Unterstützen statt Erziehen" meine Bibel im Umgang mit den Kindern ist. Manchmal lasse ich mich verunsichern, wenn ich andere Eltern erlebe, wie sie kämpfen, streiten, zwingen, sich abmühen, im Recht sein wollen.

Bin ich nur zu bequem oder zu schwach, um mich durchzusetzen?

Andere haben so viel Krieg zu Hause.

Sind der Soßenkönig und ich zu harmoniebedürftig, um schlechte Stimmung - vielleicht zum Wohl der Kinder - auszuhalten?

Eltern sollten sich nicht anbiedern. Sie sind nicht die Kumpel ihrer Kinder. Diese Kumpanei, die meine ich auch gar nicht.

Aber diese permanente Besserwisserei von Erwachsenen gegenüber Kindern, diese angebliche moralische Überlegenheit geht mir gehörig gegen den Strich.

Nur weil viele von uns resigniert haben und den Mut verloren haben, ihr Leben in vollen Zügen auszuschöpfen, halten wir die Kinder klein. Haben Sorge, dass die anderen Eltern schlecht von uns denken könnten. Haben Bedenken, welchen Eindruck der Lehrer von unserem Kind gewinnt. Haben Angst, unser Kind könnte mit seinem Eigensinn in dieser Gesellschaft nicht zurecht kommen.

Ja, darüber kann ich mich aufregen.

Aber dann weiß ich, dass ich meinen Weg weiter gehen möchte.



Erziehen darf leicht sein. 

Leben darf leicht sein. 




Weg mit der Angst!

Habt eine größere Vision von eurem Kind als es selber hat.*

Bleibt immer schön fröhlich, haltet viel häufiger den Mund, lasst die Liebe fließen und macht es euch nicht künstlich schwer

Uta


* nach den Coaches Maria und Stephan Craemer