Montag, 15. April 2013

Glückliche Familie Nr. 138: Corporate identity


Der dänische Familientherapeut Jesper Juul hat mal gesagt:


"Das Ziel ist nicht, eine 'richtige' Familie zu schaffen, sondern unsere Familie."


Viele Firmen haben eine "corporate identity", vereinbarte Ziele, die dem ganzen Unternehmen eine Ausrichtung geben.

Warum haben wir als Familie keine "corporate identity"?

Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann hat in einem Vortrag* dargelegt, wie sich die Elternrolle von 1950 bis heute gewandelt hat. Hurrelmanns These: In den 50er Jahren lebten Familien viel mehr in geschlossenen Milieus. Die Verwandten, die Nachbarn, die anderen Mitglieder in der Kirchengemeinde ... alle erzogen ihre Kinder ungefähr gleich.

Heute seien die Strukturen viel durchlässiger. Mütter und Väter hätten heute deutlich mehr Freiheiten in der Kindererziehung, fühlten sich aber orientierungslos und allein gelassen.

Wo brauchen Kinder Grenzen, wo sollte man ihnen ihre Freiheit lassen?

Hurrelmanns Fazit: "Es ist viel anspruchsvoller heute Eltern zu sein." Und: "Wir müssen die Elternrolle neu aufstellen."

Folgende Übung aus dem Elterntraining kann euch helfen, euch über eure Familienziele klar zu werden.

Dazu habe ich aufgelistet, welche Familien-Ziele mir so in den Sinn kamen. Toll ist, wenn ihr die Liste weiter ergänzen könnt. Bestimmt habe ich viele Aspekte vergessen.

Am besten geht ihr folgendermaßen vor:

1. Liste ausdrucken
2. spontan ankreuzen, was euch wichtig ist (nicht lange nachdenken)
3. die 8 wichtigsten Punkte ausschneiden und nach Wichtigkeit ordnen

Es geht nicht darum, was als richtig angesehen wird oder was Großeltern, Paten, andere Eltern oder die Gesellschaft von euch erwarten, sondern was euch am Herzen liegt.

Vielleicht sind es Dinge, die banal erscheinen, die ihr aber dringend ändern möchtet und die euch deshalb anspringen, z.B. "gesittet essen können".

Vielleicht seid ihr sehr zufrieden mit eurem Familienleben, möchtet euch aber klarer ausrichten. Dann wählt ihr wahrscheinlich übergeordnete Ziele wie ("nicht verlernen, die Gegenwart zu genießen")


Mir ist als Mutter/Vater wichtig, dass ...
  • wir gemeinsam essen
  • jeder seinen Teller leer isst
  • wir uns bei Tisch angeregt unterhalten
  • niemand mit vollem Mund spricht
  • die Kinder (Ki) ihre Kleider schonen
  • die Ki pünktlich sind
  • die Ki bescheiden sind
  • wir miteinander lachen
  • wir uns ausreden lassen
  • wir uns an Absprachen halten
  • die Ki gerne Freunde mitbringen
  • die Wohnung/das Haus schön und ordentlich ist
  • wir uns nicht anschreien
  • ich bestimme, wann Schulaufgaben gemacht werden
  • die Ki die Schulaufgaben machen ... egal wann
  • die Ki ihr Zimmer regelmäßig aufräumen
  • wir uns um Menschen in Not kümmern
  • die Ki „bitte“ und „danke“ sagen
  • die Ki andere nicht verpetzen
  • wir uns in der Familie gegenseitig unterstützen
  • die Ki schön angezogen sind
  • die Ki lernen, sich körperlich zu pflegen
  • die Kinder gute Noten in der Schule erreichen
  • wir uns die Wahrheit sagen
  • die Ki sich nicht hauen
  • wir zusammen beten
  • die Ki an Gott glauben
  • die Ki in einer Kirchengemeinde sind
  • die Ki ein Musikinstrument lernen
  • die Ki Sport treiben
  • die Ki mit Tieren aufwachsen
  • die Ki viel in der Natur sind
  • die Ki Zeit haben zum freien Spiel
  • die Ki viele Hobbys haben
  • die Ki Haushaltspflichten übernehmen
  • wir nicht über Freunde lästern
  • wir nicht über die Schwächen anderer lachen
  • die Ki gesittet essen können
  • die Ki nicht pupsen oder rülpsen
  • die Ki sitzen bleiben, bis alle am Tisch fertig gegessen haben
  • wir mit den Ki in Theateraufführungen oder Konzerte gehen
  • die Geschwister sich gut verstehen
  • die Ki wenige Schimpfwörter benutzen
  • die Ki nicht verlernen, die Gegenwart zu genießen
  • die Ki gut für berufliche Herausforderungen gewappnet sind
  • die Ki ermutigt werden, ihr Potenzial auszuschöpfen
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  • ______________________________________

Ich werde den Soßenkönig, Kronprinz (15) und Prinzessin (12) fragen, ob sie sich auch die wichtigsten Punkte heraus suchen mögen (ich sehe schon, wie sie mit den Augen rollen). Die Kinder werde ich bitten, sich vorzustellen, sie hätten selber Kinder (wahrscheinlich werden sie davon absehen, jemals welche zu bekommen, wenn es ein solch anstrengendes Unterfangen ist). Aber wenn alle dazu bereit sind, bekommen wir tatsächlich eine "corporate identity" für unsere Familie. 

Während ich diesen Post schrieb, habe ich ein Brot gebacken (Backmischung, ich geb's zu), Bellis in Körbe gepflanzt und Prinzessin das iPad abgeluchst. Dabei ist mir die Einschätzung, ob diese Übung hilfreich für euch sein könnte, irgendwie abhanden gekommen. Vielleicht sollte ich diesen Post einem 100-Punkte-Check unterziehen,  nein, mir schwirrt der Kopf und aus dem Backofen riecht es verdächtig. 

Ich halte euch darüber auf dem Laufenden, ob das Brot geschmeckt und wir als Familie eine Ausrichtung gefunden haben.

Gibt es da draußen jemanden, der mir seine 8 Punkte schreiben mag? 

Immer schön fröhlich bleiben

Uta 

* bei einem Vortrag 2009 in Potsdam