Mittwoch, 13. März 2013

Glückliche Familie Nr. 128: Das Kind anerkennen, Folge 1


"In der Familie eine Kultur der Anerkennung schaffen" - das war in den Elterntrainings, die ich mit einer Kollegin angeboten habe, ein wichtiges Thema. 

Um mit den Eltern darüber ins Gespräch zu kommen, haben wir einen kleinen Test gemacht.

Habt ihr Lust, euch in den folgenden Situationen zu überlegen, wie ihr reagieren würdet? 
In kursiv findet ihr darunter, was Frau Doktor Sommer Uta für richtig hält.


1. Der elfjährige Tom erzählt, dass er in der Mathe-Arbeit eine 'Zwei' hat. 
a) Mutter: "Toll, wie ist die Arbeit denn insgesamt ausgefallen? Luis hat bestimmt wieder eine 'Eins', oder?"

b) Mutter: "Wow, da hast du dich ja deutlich gesteigert. Lass mal sehen." Mutter schaut sich das Heft an, stellt Fragen ...

c) "Klasse! Zeig Mal!" Vater blättert in der Arbeit: "Ach, Mensch, eine 'Zwei' ist ja schön, aber das sind ja Leichtsinnsfehler! Hast du dich mal wieder nicht konzentriert!?"


zu a) Ich (Uta) beiße immer in die Tischkante, weil ich zu gerne wüsste, wie Lea, Sophie, John und Alina abgeschnitten habe. Aber wir alle wissen: Nicht vergleichen! Was sollte es über mein Kind aussagen, dass es in Mathe besser oder schlechter ist als andere Kinder. In dem Notenspiegel, den die meisten Lehrer unter die Arbeit schreiben, kann ich ja sehen, wie mein Kind im Klassenvergleich steht. Wenn ich es aber inquisitorisch nach den Noten seiner Mitschüler frage, infiziere ich es mit dem furchtbaren Virus der "Vergleicheritis". Nicht machen! 

zu b) Hier haben wir eine Vorzeige-Mutter, die in unserem Test die höchste Punktzahl bekommen würde.  Sie vergleicht das Kind nur mit sich selbst ("du hast dich gesteigert"), nicht mit anderen, erkennt seine Leistung an und zwar nicht wegwischend pauschal, sondern indem sie sich die Arbeit anguckt und konkret sagt, was sie anerkennt.
Bis zu "Lass mal sehen!" bin ich meistens wie unsere Frau Mustermann. Aber - ehrlich gesagt - habe ich meistens keine Lust, mir Klassenarbeiten näher anzusehen (bis auf Aufsätze). Und dann möchte ich das meinen Kindern auch nicht vorspielen, nur weil es pädagogisch wertvoll wäre. 
Ich freue mich über gute Noten, achte aber darauf, das Thema "Schule" zu Hause nicht zu hoch zu hängen. Meistens verkneife ich mir auch zu fragen, ob es diese oder jene Arbeit zurück gab. 

zu c) Bei diesem Vater würde die Elterntrainierin tadelnd eine Augenbraue hochziehen. Eine gute Leistung so madig zu machen. Das ist ein vergiftetes Lob.
Ich habe aber auch schon so reagiert. Vielleicht nicht so gemein formuliert, aber wenn wir gemeinsam für eine Arbeit geübt haben und es passieren so unnötige Fehler, kann ich mir manchmal nicht verkneifen zu sagen, welche Note möglich gewesen wäre, wenn ... Grrrrrrrrr.


Ob wir sie loben oder nicht, tangiert unsere Amy zum Glück überhaupt nicht.


2. Die zwölfjährige Elisa ist eine gute Schülerin, ohne dass sie sich anstrengen muss. Wie so oft kommt sie mit einer 'Eins' nach Hause.

a) "Super! So ein Ergebnis, ohne dass du großartig gelernt hast. Du bist einfach genial."

b) Ich sage gar nichts, weil ich nicht will, dass ihr die guten Noten zu Kopf steigen.

c) Mutter sagt: "Ich bin natürlich nicht überrascht. Ich möchte dir aber mal sagen, dass ich sehr beeindruckt bin, wie du die Schule meisterst."

zu a) Die Wissenschaft hat festgestellt, festgestellt, festgestellt, dass Marmelade Fett enthält, nein, dass es Kinder eher motiviert, wenn man sie für ihre Anstrengung lobt als für ihre Begabung ("du bist ja so genial!"). Ich kann es allerdings nicht falsch finden, meine Kinder von Zeit zu Zeit herum zu wirbeln und ihnen zu sagen, dass sie einfach wunderbar sind (Bei Kronprinz, 15, hat es sich allerdings ausgewirbelt. Der ist inzwischen so groß und stark, dass er Mutter herumwirbelt und ihr sagt, wie genial sie ihm auf den Keks gehen kann.)
 Also: Von seinen Kindern und ihren Begabungen begeistert zu sein, kann ich nicht falsch finden, auch wenn schulische Leistungen angeblich steigen, wenn wir die Anstrengung loben.

zu b) Wer beim Elterntraining diese Antwort ankreuzt, darf sich gleich mit dem Gesicht zur Wand in die Ecke stellen. 

zu c) Da haben wir wieder unsere Frau Mustermann. Sie ist ehrlich ("bin nicht überrascht"), erkennt ihre Tochter an ("wie du die Schule meisterst") und verwendet sogar eine Ich-Botschaft ("Ich bin beeindruckt", statt "du bist toll"). 

Ich fasse zusammen:

  • Kind nicht mit anderen vergleichen
  • Kind höchstens mit sich selbst vergleichen (hat es sich gesteigert, ja oder nein?)
  • tendenziell stärker die Anstrengung würdigen als die Begabung
  • nicht darauf lauern zu erfahren, ob es diese oder jene Arbeit schon zurück gegeben hat
  • viel mehr als Zensuren interessiert es Kinder, wer in der Pause mit ihnen gespielt hat oder warum der Freund ihnen das Radiergummi geklaut hat, und genau so soll es sein
  • das Thema "Schulnoten" zu Hause nicht zu hoch hängen
  • sich mit den Kindern freuen, wenn sie ihr Potenzial entfalten können, egal auf welchem Gebiet 

Weil es mir gefällt, die Frau Doktor Sommer in Erziehungsfragen zu geben, ist dies der Anfang einer kleinen Serie (oder ist euch das zu viel Text?).
In den nächsten beiden Folgen wird es um folgende Themen gehen: "Gute Noten mit Geld belohnen?", "Das Kind, das sich anstrengt und trotzdem schlecht in der Schule ist" und "Anerkennung für Arbeit im Haushalt".

Immer schön fröhlich Frau Doktor Sommer lesen

Uta