Freitag, 22. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 124: Fasten light


Wir sprachen neulich beim Abendbrot über das Fasten.

Uta: "Es gibt ja Leute, die machen sieben Wochen ohne Süßigkeiten oder ohne Alkohol ..."

Kronprinz (15): "Oh, Gott, nicht das wieder ..."

Uta: "Ich meine ja nur, wir könnten doch auch ..."

Prinzessin (12) zur mir: "Du könntest ja auf Alkohol verzichten und auf Fernsehen."

Uta: "Iiiiiiich?"

Betretenes Schweigen.

Uta (räuspert sich): "Ich wäre bereit zu sieben Wochen ohne .... bügeln."

Ich fand mich witzig.

Die anderen nicht.

Nach diesem Gespräch habe ich am anderen Morgen dieses Bonbon-Glas aufgestellt.




Gemeint ist, dass man sich eine Süßigkeit am Tag nehmen darf.

Nicht in der Minute, Prinzessin!

Das ist Fasten light.

Mehr schaffen wir nicht.

Auch wenn das nach einer Luschi-Aktion aussieht, kennt ihr mich inzwischen gut genug um zu ahnen, dass sich dahinter eine pädagogische Mission ungeahnter Bedeutung verbirgt.

In den 60er Jahren hat der Psychologe Walter Mischel mehrere Versuche zum Thema "aufgeschobene Bedürfnisbefriedigung" gemacht. Er bot Vierjährigen einen Teller mit zwei Marshmallows an. Beim Hinausgehen sagte er, jeder dürfe jetzt einen essen. Wer aber mit dem ersten Bissen bis zu seiner Rückkehr warten könnte, würde sogar beide bekommen.

Mischel beobachtete die Entwicklung dieser Vierjährigen über Jahre und fand heraus, dass die Kinder, die ihr Bedürfnis damals hatten aufschieben können, sehr leistungsstark in der Schule waren. Und als 27jährige waren sie in der Regel erfolgreicher, umgänglicher und weniger anfällig für Drogenprobleme als die spontanen Marshmallow-Vernichter.

Seither weiß man:

Die Fähigkeit, Frust zu bewältigen und Bedürfnisse auf einen späteren Zeitpunkt aufzuschieben, ist wichtiger für das Erreichen von Zielen als Intelligenz. 
( nach Alan Posener: "Charakter ist Schicksal", Essay, Seite 2, in Die Welt, 29.1.2013)

Meine Eltern werden sich freuen, das zu lesen. Neulich stand bei ihnen in der Zeitung ein Leserbrief einer Bekannten, die mit einem ausgeliehenen Kind ein Kindertheater besucht hatte. Die Frau empörte sich darüber, dass man kaum ein Wort von dem Theaterstück verstanden hätte, weil alle mit Kekspackungen und Bonbontüten raschelten.

Ich erinnere mich, dass ich einst mit Kronprinz eine Krabbelgruppe besuchte und mich generalstabsmäßig darauf vorbereiten musste, um nicht als einzige Mutter ohne Muffins, Buchstabenkekse, Flasche mit Flaschenwärmer, Apfelbrei und Roibuschtee in Thermoskanne auf dem Boden zu hocken.

Wenn man über die Versuche von Walter Mischel liest, tut man seinen Kindern sogar einen Gefallen, wenn man die Kekse und die Flasche mal zu Hause vergisst und nicht bei jedem Bäcker ein Brötchen in den Buggy reicht (obwohl ... dann ist erst mal Ruhe).

Und ich hatte mir überlegt, neben dem Bonbonglas in meiner Küche eine Liste aufzuhängen. Wer es geschafft hat, am Tag wirklich nur eine Süßigkeit zu nehmen, dürfte dort einen Strich machen und bekäme an Ostern die doppelte Menge an Süßigkeiten wie er oder sie Striche gesammelt hat.
Dann könnte ich, so meine Überlegung, nicht nur das Befriedigungsaufschubpotential meiner Kinder testen, sondern es auch noch ein wenig trainieren.


Wer nur eins nimmt, darf Ostern doppelt so viel naschen. 

Bis hierher hatte ich gestern geschrieben und heute wird mir klar, wie anstrengend meine pädagogischen Missionen sein können. Und ich hatte noch einmal nachgelesen bei Mischel, Juul und den anderen.

Die entscheidende Frage ist doch: Warum waren einige der Vierjährigen in der Lage, auf den Marshmellow-Genuss zu warten und andere nicht?

Es lag nicht daran, dass sie keine Mutter hatten, die in der Fastenzeit einen Süßigkeiten-Listen-Drill durchführte (ich habe die Liste weggeworfen).

Es lag daran, dass sie gestresst waren durch Umstände wie Armut, große Konflikte in der Familie und Gewalt.

Diese Kinder haben mit so vielem zu kämpfen, dass sie nicht die Kraft haben, ein Bedürfnis aufzuschieben. Das gilt übrigens auch für die, die materiell alles haben, aber keine verlässlichen Beziehungen.

Wir können trotzdem fröhlich bleiben. Der Stress schlägt sich zwar im Gehirn nieder. Die Experten sagen aber, das sei bis ins frühe Erwachsenenalter reparabel durch Liebe und Fürsorge von Eltern und anderen Bezugspersonen.

Also immer schön fröhlich bügel-fasten und sich mit Freude um Kinder kümmern

Uta

PS: Die beiden Aufräum-Labels haben gewonnen
Das Katzenklo-Label geht an Lebemaja (es wollten alle das Aufräum-Label und nur Lebemaja das Katzenklo-Schild. Jetzt habe ich sogar welche über. Ich werde sie bei Nachbarn dran hängen. Mal gucken, ob es wirkt.)

Den Gewinnerinnen herzlichen Glückwunsch!

Schreibt ihr mir bitte eine Mail (unter "Schreib mir" rechts in der Spalte meines Blogs) mit eurer Adresse?! Dann kann ich die Labels los schicken.