Montag, 4. Februar 2013

Glückliche Familie Nr. 119: Das Lauffeuer des 21. Jahrhunderts


Ihr erinnert euch vielleicht an dieses Bild.

Collage mit einem Foto aus dem Hamburger Abendblatt mit Mönchen des Drupka-Ordens

Ich hatte mich in den Kreis buddhistischer Mönche geschmuggelt, um mit der vollen Wucht eines Symbol-Fotos klar zu machen, welche Haltung mich als Elternvertreterin von der Kronprinz-Klasse  tragen soll.

Wenige Wochen sind verstrichen und es ist vorbei mit Lächeln und Winken.

Die Schulleiterin hat uns Elternvertreter zum Gespräch gebeten. Väter und Mütter aus unserer Klasse würden sie aufsuchen oder harsche Mails an sie und in Kopie an ihren Stellvertreter schreiben und sich über die neue Klassenlehrerin beschweren.

"Was ist denn da los?"

Lottas Vater, der andere Elternvertreter, und ich rutschten auf den Besucherstühlen im Zimmer der Schulleiterin herum. So richtig erklären konnten wir den Aufruhr nicht.

Manche Eltern beklagten Rechtschreibfehler in den Mails der jungen Lehrerin, andere meinten, sie zerstöre die Klassengemeinschaft.

Lottas Vater und ich haben mehrere Zeugen vernommen, haben uns mit der Lehrerin in einer Teestube getroffen, mit den Klassensprechern über Franzbrötchen in der Schulkantine gesessen und einen inneren Seismographen entwickelt für die Stimmungsschwankungen bei unseren Kindern und den Mitschülern, die gelegentlich in Lottas Familie oder bei uns zu Mittag essen.

Lottas Vater hat die E-Mails der neuen Lehrerin mit denen der alten Lehrerin verglichen und einer Sprachanalyse unterzogen. Die neue Lehrerin schnitt dabei besser ab als ihre Vorgängerin.

Speichelproben von den Schülern zu nehmen, ist nicht erlaubt. Sonst hätten wir den Gehalt des Stresshormons Cortisol vor und nach den betreffenden Unterrichtsstunden bestimmten können.

So langsam bekam ich ein Großstadt-Revier-Feeling. Wir vernahmen Zeugen, untersuchten Schriftproben, verhörten die Chefin des Opfers, äh, der Täterin. Ein Vater appellierte per Rund-Mail an die Beschwerdeführer, "sich endlich aus der Deckung zu wagen."

Am Ende unserer Ermittlungen beschlossen wir, einen Elternabend zu machen ohne die umstrittene Klassenlehrerin, damit wir in Ruhe die Wogen glätten könnten.
Die Lehrerin war auch einverstanden, fast erleichtert. Wir schrieben eine Einladung, in der Wörter vorkamen wie "Sachstand", "Informationslage", "Lernsituation", "Fairness", "Besonnenheit".

Nun erreichten uns E-Mails von Eltern, die bisher keine Probleme hatten. Sie wollten zu einem solchen Elternabend nicht kommen, hätten auch von anderen gehört, dass sie die Versammlung boykottieren wollten. Und sie sähen gar nicht ein, sich von einigen Überbesorgten deren Probleme aufdrängen zu lassen.

Äh?

Irgendwann in dieser Geschichte hat jemand Bühnenbretter ausgelegt. Ein anderer hat einen schweren Vorhang aufgezogen. Der nächste hat riesige Scheinwerfer montiert und sich die Nase gepudert. Immer mehr Statisten traten auf die Bretter, bildeten Grüppchen um die Rechthaber, die noch an ihrem Text feilten. Täter, Opfer - die Rollen waren schnell verteilt. Die Souffleuse kletterte in ihren Kasten und begann, harte Urteile über Menschen zu flüstern, die man kaum kennt.

Wenn ein Drama in Schwung kommt, springt in jedem von uns das Ego an.

Mein Ego begann eine Rede zu formulieren, die es den Kleingeistern mal so richtig zeigen sollte. Es hatte große Lust, im Laufe des Elternabends das Amt theatralisch hinzuwerfen.

Ich werde nichts dergleichen tun.

Nur eines werde ich tun: Euch einen Tipp weitergeben, den Lottas Vater und ich von der Beratungslehrerin der Schule bekommen haben:

E-Mails eignen sich nicht zur Problemlösung. Konflikte lassen sich nur im persönlichen Gespräch mit den direkt Betroffenen klären.

Die  E-Mail, das Lauffeuer des 21. Jahrhunderts.

Heute findet der Elternabend statt. Deshalb dürft ihr mir diesmal wünschen:

Immer schön fröhlich bleiben, Uta!