Mittwoch, 23. Januar 2013

Glückliche Familie Nr. 116: Ein guter Mensch reicht


Als ich ungefähr 18 Jahre alt war, kam ein Mitschüler von mir ins Gefängnis, weil er im Eifersuchtswahn seine Freundin erstochen hat. Eine ganz furchtbare Geschichte.

Natürlich haben wir zu Hause viel darüber gesprochen. Und irgendwann fragte ich meine Mutter, ob sie denken würde, dass die Mutter dieses Schülers ihren Sohn im Gefängnis besuchen würde.

"Bestimmt", sagte meine Mutter, "das würde ich auch tun."

Mich hat das damals tief beeindruckt.

Das hieß: Ich könnte das denkbar Schlimmste tun und trotzdem würden meine Eltern zu mir halten.

Das ist ein ganz warmes Gefühl tief in mir drin.

Es erinnert mich an das Ergebnis der Kauai-Studie.

Kauai ist eine Hawaii-Insel und Schauplatz einer spektakulären Langzeitstudie der Entwicklungspsychologin Emmy E. Werner. Über einen Zeitraum von 40 Jahren hat sie die Entwicklung von 698 Kindern verfolgt, die 1955 geboren waren. Emmy Werner und ihr Forscherteam besuchten die Kinder und späteren Erwachsenen im Alter von 1, 2, 10, 18, 32 und 40 Jahren und untersuchten ihren Entwicklungsstand und ihre Lebensumstände. 210 Teilnehmer der Studie waren sogenannte "Risiko-Kinder", die in schwierigen Verhältnissen aufwuchsen. Die Eltern lebten am Existenzminimum, waren arbeitslos, hatten zum Teil psychische Probleme oder waren drogenabhängig.

Trotzdem gelang es einem Drittel dieser "Risiko-Kinder" als Erwachsene selbstsicher, optimistisch und leistungsfähig zu werden. In dieser Gruppe gab es weniger Scheidungen, weniger Gesundheitsprobleme, weniger frühe Todesfälle.

Was machte diese Kinder so widerstandsfähig?

Das Ergebnis:

Es gab eine Person in ihrer Umgebung, zu der sie eine sichere Bindung aufgebaut hatten. Wenn es die Eltern nicht konnten, so war eine Großmutter eingesprungen oder ein älteres Geschwisterkind, eine Tante, eine liebevolle Lehrerin, ein Fußballtrainer, ...., irgendjemand, der an dieses Kind glaubte.

Schon ein guter Mensch, der an ein Kind und seine Fähigkeiten glaubt, kann reichen, um einem Kind eine gute Entwicklung zu ermöglichen.


Das Kissen ist von Reuberkind.


Immer fröhlich an das Kind glauben

Uta


PS: Wer sich für die Erforschung von Resilienz (=Widerstandskraft) interessiert, dem kann ich das Buch "Die Kraft der Ermutigung" von Jürg Frick dicht ans Herz legen. Eine spannend zu lesende Mischung aus Wissenschaft und Beispielen aus Geschichte und Gegenwart.