Dienstag, 13. November 2012

Glückliche Familie Nr. 99: Sendungsbewusstsein


Vokabeltest in Englisch zurück. Fünf minus. Acht von zwölf Vokabeln waren richtig, aber es fehlte ein Satz, der vier Punkte gab. Fünf minus.

Ich setzte mich an mein Laptop und formulierte. "Sehr geehrte Frau x, ich möchte Ihnen die Rückmeldung geben, dass mein Kind traurig und enttäuscht aus der Schule kam. Die Strenge, mit der Sie solche Tests bewerten, ist demotivierend. Ich dachte, hoffte vielmehr, die Pädagogik der Total-Entmutigung sei nicht mehr zeitgemäß. Mit freundlichen Grüßen ..."

Hatte ich Schaum vor dem Mund? Ich fühlte mit der Zunge. Nichts. Ich stand auf und schaute in den Spiegel. Schaum nicht, aber so griesgrämige Die-Welt-ist-ungerecht-Fältchen zwischen den Augen und um die Nase. Ich probierte ein kleines Lächeln. Schon besser. Im Flur hörte ich das Opfer der Entmutigungs-Pädagogik seine Hip-Hop-Sachen packen. Es sang.

Ich fixierte mein kleines Lächeln und setzte mich wieder vor den Bildschirm. Die Mail guckte mich an. Nur ein Klick und ich hätte mein Kind und mich gerächt. Nur ein Klick und ich könnte jemandem eine mitgeben.

Wieder eine Beschwerde mehr in die Welt gesendet. Geht ja so leicht.


Sendungsbewusstsein

Ich klickte auf "nicht sichern".

Ich will nicht mich beschweren. Und auch nicht die Lehrerin beschweren. Ich will lieber gucken, wo ich es leichter machen kann für andere und für mich:

ein Klassenfest organisieren, Witze machen mit den Kindern, die ich in der Schulkantine bediene, anerkennen, wo Lehrer etwas richtig gut machen, mich bedanken beim unermüdlichen Schulhausmeister und Ideen unterstützen wie die von Gerald Hüther.

Der Professor für Neurobiologie gehört zu einem Team, das eine neue Lehrerausbildung an je drei deutschen und österreichischen Hochschulen anbieten wird. Der neue Masterstudiengang heißt "Potentialentfaltungscoach" (hier der Professor im Interview mit Spiegel-online).

Wenn die Kinder aus dem Haus sind, könnte ich mich dort als Senior-Studentin einschreiben. Ich werde darüber nachdenken.

Immer fröhlich die Beschwerde-Mails in den Papierkorb schieben und das nächste Fest vorbereiten

Uta