Freitag, 19. Oktober 2012

Glückliche Familie Nr. 92: Der Ruck


Prinzessin (11) hatte diese Woche aufzuschreiben, was ihre Kindheit von der Kindheit Jesu unterscheide. Ihr fiel als erstes dazu ein, dass sie Eltern habe, die weniger streng sind als Jesu Eltern es waren.

Ich ließ das mal so stehen.

Ich meine, Jesus war für mehrere Tage einfach weggelaufen. Als Maria und Josef ihn im Tempel wieder fanden, stellten sie ihn zur Rede, waren aber schnell besänftigt, weil theologische Gründe den Zwölfjährigen ins Gotteshaus geführt hatten.

Wenn ich Prinzessin nach mehreren Tagen im nahegelegenen Einkaufszentrum aufgreifen würde (die Kirchen im Umkreis sind verschlossen), könnte Prinzessin nur ökonomische Gründe aufführen und es gäbe ein gehöriges Donnerwetter.

Diese Möglichkeit erwähnte ich gegenüber Prinzessin nicht.

Zu sehr gefiel mir mein Milder-als-Maria-Image, als dass ich diese Blase hätte platzen lassen wollen.

Gerade wandelte ich wieder auf dem Pfad der Güte, als ich kurz nach dem Mittagessen an unserem Schlafzimmer vorbeikam. Prinzessin fläzte sich auf unserem frisch bezogenen Doppelbett  und chattete auf dem iPad.

Überhaupt das iPad. Es hat das Format der alten Schiefertafel, bietet aber explodierend viele Möglichkeiten. Groß genug, um darauf mit Spaß zu spielen oder Filme zu sehen, klein und flach genug, um es schnell unter einem Kissen verschwinden zu lassen. Es ist des Teufels.


Suchbild - wer findet das iPad?


Manchmal verfluche ich den Tag, an dem das Ding in unser Haus kam. Und weil Prinzessin beim Essen am Mittag auch noch alle Röstzwiebeln aus den Käsespätzle gepult hatte, war es vorbei mit meiner Maria-Milde.
Ich jagte meine Tochter aus dem Elternschlafzimmer, wie Jesus die Marktschreier aus dem Tempel. Stürmte die Treppe runter, weil ich Käse aus der Pfanne kratzen musste, stürmte die Treppe wieder hoch, weil ich vergessen hatte, das iPad zu beschlagnahmen.

"Wir bieten den Kindern so viel und fordern zu wenig", sagte mein Mann am Telefon. "Sie müssen mehr Durchhaltevermögen lernen."

Das hatte mir gerade noch gefehlt, eine Ansprache aus dem Off.

Ärgerlich spitzte ich die Käsekrusten aus dem Teflon. Die Wahrheit ist manchmal schmerzhaft. Arme Uta, arme Pfanne.

Aber dann gab ich mir einen Ruck. Ich tat das, was ich in solchen Situationen immer tue: Ich kochte mir einen Kaffee, nahm mir mein Tagebuch und schrieb auf, welche Erkenntnisse ich aus der Situation ziehen könnte.

  • Anderen Eltern raten, sich die Anschaffung eines Tablet-Computers gut zu überlegen. Lieber einen immobilen Tisch-Computer für alle zugänglich im Wohnraum aufstellen, dann fällt die Kontrolle leichter. 
  • Zeit begrenzen und mit Prinzessin sprechen: 30 Minuten mittags am iPad spielen ist zum Entspannen okay. iPad ist dann erst am Abend wieder erlaubt, wenn Hausaufgaben gemacht sind, Freunde getroffen oder Sport getrieben wurde. 
  • Mit Kronprinz (15) wieder eine Zeit festlegen, wann er in der Schulwoche im Bett liegen muss. Es war wieder eingerissen, dass er erst nach Mitternacht zur Ruhe fand und ein gewaltiges Schlafdefizit vor sich herschob.
  • Wenn schon Computer-Spiele, dann auch mal zusammen. Zum Glück macht es meinem Mann Spaß, mit Prinzessin ein Strategie-Spiel im Internet zu spielen. Sie müssen ein Dorf vor Feinden verteidigen, Kanonen anschaffen und Schutzmauern errichten. Das schweißt zusammen. Wenn er von der Arbeit kommt, läuft Prinzessin ihm schon entgegen: "Wir sind angegriffen worden." - "Wie kann das sein, ich habe doch eine Kanone auf Level 4 installiert?"

Liebe Religionslehrerin, wenn man sich überlegt, in welchen Punkten sich Prinzessins Kindheit von Jesu Kindheit unterscheidet, dann fällt mir eine Menge dazu ein. 

Immer schön fröhlich bleiben

Uta